So eine Grafikkarte ist zumeist ein reines SMD-Board, also ohne THT-Bauteile, die einen solchen Wärmeprozess am Gehäuse nicht vertragen. Grundsätzlich muss man aber sagen, dass selbst SMT-Elkos durch mehrere Temperaturprozesse eine teils stark verkürzte Lebensdauer haben.
Solch ein "Backofenprozess" ist auch nur möglich, wenn der Backofen die erforderlichen 235 °C auch sicher und stabil schafft. Wenn's zu kalt ist, schmilzt das Lot nicht -> dann ist der Prozess für die Katz. Wenn's zu warm ist, dann geht was kaputt. Wenn der Prozess zu lange dauert, geht auch was kaputt (Leiterplattensubstrat, SMT-Elkos, Gasblasenbildung in BGA-Balls etc.).
Zitat :
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"Underfill" ist also unter den Chip gepresst?
Oder kann man sehen ob so etwas verwendet wurde?
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Naja, meist wird das nicht eingepresst, sondern einfach am Rand aufgetragen. Je nach Typ und Konsistenz kriecht dann das Underfill mehr oder weniger stark unter das Bauteil und härtet dann aus. Die Aufgabe des Underfills ist das mechanische Stabilisieren des Bauteils. Oft wird, wie bei der o.g. Grafikkarte ersichtlich, nur an den Ecken aufgetragen, damit das Bauteil zusätzlich fixiert ist. An den Ecken tritt der größte mechanische Stress durch die ständige thermische Ausdehnung des Bauteils im Betrieb auf. Tendenziell reißen an den Ecken die Balls eher nach einer gewissen Kalt-Warm-Zyklenzahl.
Zitat :
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Auch Heißluftlötstationen werden mitunter mit "Rework" bezeichnet.
Die sind aber nicht gemeint, oder?
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"Rework" heißt ja eigentlich etwas "überarbeiten" also reparieren. Folglich werden viele Geräte als "Reworkgeräte" oder "Reworksysteme" bezeichnet. Im professiellen Bereich ist ein "Reworksystem" allerdings ein Gerät, das eine exakte Temperaturführung am Bauteil ermöglich. Heißt: Der Temperaturanstieg ist geregelt (allgemein zwischen 0,5 und 2 °C/s). Die Temperaturen sind natürlich auch präzise geregelt. Damit ist es möglich, eine Leiterplatte in einer bestimmten Geschwindigkeit auf eine bestimmte Temperatur zu erwärmen, evtl. im Endbereich noch den Temperaturanstieg zu verlangsamen und dann sogar noch die Endtemperatur eine gewünschte Zeit stabil zu halten.
Systeme, die so etwas können, gibt es als:
- Heißluftsysteme (Lufttemperatur und Strömungsgeschwindigkeit präzise geregelt)
- Infrarotsysteme (Heizungstemperatur oder gar die Leiterplattentemperatur präzise geregelt)
- Hybridsysteme (Mix aus Heißluft und IR)
Für Heißgassysteme werden noch bauteilspezifische Luftdüsen benötigt, da eine präzise Luftführung hier sehr wichtig ist. Das ist leider auch ein Kostenfaktor.
Ein simpler Heißluftföhn oder -lötkolben wird indes nicht als Reworksystem bezeichnet, auch wenn sich damit einfache Reparaturen durchführen lassen. Eine BGA-Reparatur ist hingegen NICHT als einfache Reparatur zu bezeichnen!
Zitat :
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Meine Frage bezüglich des Vorgangs ist noch offen.
Wird der Chip auch von der anderen Platinenseite erhitzt? Bzw. die Platine, und damit auch die Lötzinnkugeln.
Denn das ist ja praktisch ausgeschlossen, oder löten Profis tatsächlich alle SMB von der anderen Seite ab, und danach wieder drauf?
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In einem typischen Reworkprozess wird die Leiterplatte von unten großflächig erwärmt und von oben eben über eine Heißgasdüse oder einen selektiven IR-Strahler punktuell über den Schmelzpunkt gebracht. Normalerweise sollte darauf geachtet werden, dass Ober- und Unterseite der Leiterplatte an der Zielbauteilposition eine ausgewogene Temperatur haben, damit keine Verspannungen entstehen. So wird übermäßiger thermischer Stress am Bauteil oder an der Leiterplatte vermieden.
Typischer Ablauf bei BGA-Austausch:
1. Leiterplatte in Halter fixieren, evtl. unterstützen, um Durchhang zu vermeiden
2. Emfindliche Bauteile schützen, falls vorhanden
3. Geeignetes Auslöt-Temperaturprofil am Reworksystem auswählen
4. Prozess am Gerät starten (dauert etwa 3 - 5 Minuten)
5. Bauteil mit (meist integrierter) Vakuumpipette abheben, wenn Lot geschmolzen ist
6. Platine etwas abkühlen, jedoch nicht ganz! --> Restwärme nutzen!
7. Flussmittelgel auf Restlot auftragen
8. Restlot mit großflächiger Lötspitze bei 320 - 330 °C absammeln, bis nur noch kleine Bumps übrig sind.
9. Platine abkühlen
10. Altflussmittel entfernen (behindert neues Flussmittel bei der Arbeit)
11. Neues Flussmittel auftragen
12. Neues Bauteil platzieren
13. Lötprofil am Reworksystem aktivieren
14. Prozess am Gerät starten (dauert etwa 3 - 5 Minuten)
15. Bauteil muss 60 - 120 Sekunden über Lot-Schmelzpunkt sein
16. Baugruppe abkühlen.
Zitat :
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Zur Backofenmethode beim Macbook Pro ist zu erwähnen, dass die schon Einzeltzeile schützen.
Bzw. eine gewisse Zeit (ich glaube 7 Minuten) mit einer bestimmten Temperatur einhalten.
Aber man könnte ja z.B. auch eine schützende Masse über die zu schützenden Teile aufbringen.
Z.B. einen "Salzteig". Der wird nicht so schnell fest, sollte aber effektiv die Hitze von Kunststoff, Elkos usw. abhalten.
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Dieser "Schutz" ist im geschlossenen Backofen praktisch wirkungslos, da die Baugruppe durchheizen wird. Salzteig auf Elektronik
viel Spaß! Unvermeidliche Salzrückstände in Kombinatio mit der Luftfeuchte später ergeben ein leitfähiges Medium. Das führt zu Kriechströmen und damit zu Korrosion und dann
Ehrlich: Der Backofen ist KEIN Reworkgerät!
Und die Ausdünstungen der Elektronik oder gar Flussmittelkondensat an den Backofenwänden sind gesundheitsschädlich! Guten Appetit beim nächsten Kuchen oder der nächsten Pizza!
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Es gibt doch extra "Backöfen" für Platinen.
Könnte man nicht die ganze Platine bis auf den Chip z.B. in Salzteig einkneten, und dann für x Minuten bei x Grad backen, und dann den Chip abheben (z.B. mit so einem "Saugheberdings")?
Das Gleiche beim wiederauflöten.
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Schützen geht nur mit geeigneten Mitteln:
- Kaptonband bei Heißgas
- Aluband bei IR
- Evtl. Kühlpads (die verzögern die Erwärmung etwas)
Diese extra "Backöfen" sind speziell für Elektronik gebaut, haben also eine präzise Temperaturführung - ganz im Gegensatz zum heimischen Backofen! Diese Tisch-Reflowgeräte sind ebenfalls nicht ganz billig. Solche Geräte können nur reine SMT-Platinen verarbeiten. Sind also zusätzliche Bauteile drauf, die einen solchen Temperaturprozess nicht vertragen, dann müssen die vorher abgenommen werden! Nach dem Prozess müssen die Bauteile dann wieder drauf.
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Was für Werkzeuge und Material braucht man denn generell?
Also inkl. Flussmittel, bestimmten Handwerkzeugen (Dentalbedarf?) usw..
Eine kleine "Einkaufsliste", möglichst mit Namen die man z.B. bei eBay eingeben kann.
Auch spezielle Produktnamen, denn "Flussmittel" gibt es ja einige, auch "Clean" von NoName bis zum x-fachen Preis.
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Für BGA-Reparatur im Heimbereich???
...das ist viel zu teuer!
Ansonsten:
- Gutes Reworksystem (Billig-Asiasysteme liefern keinen stabilen Prozess)
- Repair-Flussmittelgel
- Präzise geregelte Lötstation
- Großflächige Lötspitze (z.B. 4 mm 45° abgeschrägt, 8 - 12 mm "Wick-Tip" oder ähnliches)
- Bleistiftförmige Lötspitze zum Abschaben von Underfill
- ca. 3 mm breite meißenförmige Lötspitze zum Entfernen von Underfillresten
- Flussmittelentferner
- Mechanische Werkzeuge (z.B. hakenförmige Dentalwerkzeuge --> Exkavator)
Ich nenne keine Namen, da ich keine Werbung machen möchte hier.
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Die "Heimmethoden könnte man ja mal mit einem Gerät ausprobieren, was zwar noch funktioniert, aber praktisch wertlos ist. Ein altes Mobiltelefon. Oder hat z.B. die Nokia-"Banane" nach einen Wert?
Chip entfernen, und wieder auflöten. OK, dann müsste man den "reballen", zu Übungszwecken auch ein Aufwand...
Idealerweise sollten die Chips dann auch ähnlich in Anzahl und Größe der Pads und Temperaturverhalten suw. sein.
Trotzdem, Ich wüsste schon gerne was man alles da haben sollte.
[ Diese Nachricht wurde geändert von: Tobias Claren am 9 Mai 2013 14:35 ]
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Reballen ist noch mal viel schwieriger als der der eigentliche Reworkprozess. Hier müssen neue Balls auf die Pads am Bauteil aufgebracht werden. Diese Aufgabe ist mechanisch sehr anspruchsvoll. Es gibt "Reballing-Kits", die aber ebenfalls einiges an Geld kosten. Der eigentliche Lötprozess zum Auflöten der Balls seblst ist dagegen einfach. Vorsicht: Auch beim Reballen darf nicht zu schnell geheizt werden, sonst ist das Bauteil Schrott!
Im Heimbereich könnte man mit einem Heißluftföhn Experimente machen. Jedoch ist die Temperaturführung sehr undefiniert und selbst bei Erfolge ist die weitere Lebensdauer der Baugruppe unabsehbar.
Viel Spaß beim Testen!
Grüße,
Jogi