So, ich habe meine Kästen noch mal rausgekramt und dazu ein wenig recherchiert.
Geschichte:
Die Kosmos XN-Kästen sind 1993 als Nachfolger der X-Kästen erschienen. Der größte technische Unterschied im Vergleich zur X-Serie ist die Anordnung der bewährten Kontaktfedern (Kosmos verwendet die Dinger nicht ohne Grund seit 30 Jahren) im Steckpult.
Leider ist das XN-Angebot mittlerweile ausgedünnt (vermutlich aufgrund mangelnder Nachfrage seitens des Marktes). Aber erst mal zu dem, was es mal gab:
Die XN-Serie hat drei Hauptausbaustufen, XN 1000/2000/3000, die man gleich so kaufen konnte. Dazu gab es die Ausbaukästen XN 1500/2500, mit denen man seinen XN je eine Stufe hochrüsten konnte.
Schließlich gab es noch den Hightech-Zusatzkasten (ab XN 2000) mit PC-Schnittstellenkarte und Software für Windows 3.1.
Eignung/Zielgruppe:
Der XN 1000 ist für Elektronikfreunde ab 10 Jahren geeigenet, der XN 2000 ab 11 Jahren und der XN 3000 ab 12 Jahren. Es gab ein gemeinsames verleimtes Handbuch für die Kästen XN 1000/2000. Dieses ist in zwei Abschnitte unterteilt und lag bereits dem XN 1000 gesamt bei (es gab ja den XN 1500 zum aufrüsten).
Dieses Anleitungsbuch ist für Kinder/Jugendliche gedacht. Zusammen mit dem jungen Roboter Robert und seinem Mentor, Prof. Sirius Armstrong, lernt man auf der Raumstation Electronica im Jahre 2069 die Grundlagen der Elektronik. So bewegt man sich durch verschiedene Bereiche der Station, wo verschiedene Charaktere verschiedene Probleme mit verschiedenen Schaltungen lösen, die vorgestellt und erläutert werden. Ungefähr zwei Drittel des Textes beschäftigen sich mit der Rahmengeschichte, der Rest beschäftigt sich mit der Funktionsweise der Schaltung. Die Erklärungen der komplizierteren Zusammenhänge geht dabei nicht allzu sehr in die Tiefe. Das ist aber in Ordnung, denn komplexere Erklärungen/Erläuterungen als die gegebenen könnte die Zielgruppe in dem Alter auch noch gar nicht hinreichend verstehen; Frustration wäre vorprogrammiert. Von der Aufmachung her ist dieses Handbuch für Menschen bis ~16 Jahre, sag' ich mal. Die Schaltungen dürfen sich ältere natürlich trotzdem angucken
Vom Satz her sind die Experimente nicht seitenübergreifend, das Handbuch ist in Farbe und kindgerecht illustriert.
Der XN 2500/3000 bringt sein eigenes Handbuch mit (ob dem XN 3000 auch das Handbuch des XN 2000 beiliegt, weiß ich nicht). Dieses ist ein DIN A4-Ringbuch im Querformat. Der Druck ist dreispaltig und sehr gut angeordnet.
Dieses Handbuch wurde von einem anderen Autor geschrieben und beginnt noch einmal bei Null. Hier gibt es keine Hintergrundgeschichte mehr, es geht tatsächlich nur noch um die Bauteile und Schaltungen. Trocken wird der Begleittext dennoch an keiner Stelle. Das Niveau entspricht einem Lehrbuch für das Gymnasium (so eines, dass man von Klasse 7 bis 13 nutzen kann); der Anspruch des Stoffes steigt mit der fortlaufenden Seitenzahl. Diesem Handbuch gebe ich daher die Bewertung "von 12 bis 99 Jahren".
Zur Ausrüstung der einzelnen Aufbaustufen:
Beim XN 1000 wird das linke Pult genutzt (zehn Klemmfederpostitionen bleiben noch unbesetzt). Beigepackt sind 10 Widerstände, eine Diode, fünf Kondensatoren, zwei npn-Transistoren, zwei LEDs, ein Feuchtigkeitssensor, Taster, Ohrhörer, Draht und ein im Pult integrierter Drehko.
Beim XN 2000 kommt das rechte Pult hinzu, der Steckraum wird erweitert. Neue Bauteile sind der Lautsprecher, ein Poti, ein Fototransistor, ein AMP, eine verstellbare Induktivität sowie einige Widerstände und Kondensatoren.
Beim XN 3000 sind endlich beide Pulte voll aufgebaut. Dazu kommen ein weiterer Poti, ein Meßwerk, eine gelbe LED, en Dual-Gate-MOSFET, ein pnp-Transistor, ein 555-Modul, ein 14-poliges IC-Sockelmodul (dazu passend ein 324->Vierfach-OP und ein 4024->siebenstufiger Binärzähler), eine IR-Diode, ein LWL sowie um 20 Widerstände, Kondensatoren und Dioden.
Zur Hardware an sich:
Die Pulte sind ziemlich robust und funktional aufgebaut. So gibt es unten links Biegevorrichtungen für Drahtbrücken und LEDs, darüber folgt eine Bauteilablage. Oben links werden die 15 Widerstände des XN 2000 übersichtlich aufbewahrt. Die restlichen Bauteile kann man in den Multiboxen (bedruckte Pappboxen mit Pictogrammen und Löchern für die Bauteile, darin werden sie auch geliefert) lassen, oder aber auch im Innenraum des Pultes verstauen. Beim Hochklappen des Pultes fallen aber gerne die Widerstände aus der eben genannten Ablage heraus.
Oben rechts befindet sich eine Vorrichtung zum Richten verbogener IC-Beine sowie eine brauchbare Ausstoßhilfe für den IC-Sockel. Rechts am Rand ist noch eine schmale Bauteilablage.
Im dunklen Inneren des Pultes werden die Batterien verstaut (pro Pult ist eine 9V-Blockbatterie vorgesehen, aber für die wenigsten Versuche braucht man tatsächlich zwei), außerdem finden sich dort Haltevorrichtungen für den Fototransistor, die IR-Diode und den LWL.
An der Unterseite des Steckfeldes sind Anschlussklemmen für die im Pult verbauten Bauteile (Drehko, Potis, Lautsprecher, Meßwerk).
Bauteile mit mehr als zwei Beinen werden auf einer Platine montiert geliefert. Das Raster der Steckfedern an sich ist 5mm, zwischen den Steckfedern sei es 5,08mm, las ich (habe leider gerade meinen Meßschieber verlegt). Durch die Toleranzen der Klemmfedern dürften aber Steckmodule beider Systeme passen.
Besonders schön: Es lassen sich recht leicht eigene Module zum Stecken zusammenlöten. Im Handbuch wird darauf zwar nicht eingegangen, aber funktionieren tut es dennoch wunderbar. Wenn man z.B. einen Thyristor für seinen Kasten haben will, kann man sich den leicht selbst aufbauen.
Interessant ist das besonders, da die Handbücher für ältere Kosmos-Kästen, die nicht mehr verlegt werden, im Internet teilweise frei verfügbar sind. So lassen sich mit dem XN 3000 z.B. auch Versuche machen, die eigentlich für den X 3000/4000 gedacht waren (z.B. eine Schaltung zur Messung von Transistorkennlinien), wenn man die benötigten Bauteile beschaffen kann.
Die Kontaktfedern stellen stets schnell einen guten Kontakt her, neigen auch nach langer Zeit nicht zu Korrosion, und werden auch nicht schlaff. Wie schon geschrieben setzt Kosmos die Dinger seit 30 Jahren ein.
Ansonsten wird mit Standardbauteilen experimentiert. Das Einstecken von Bauteilen mit dünnnen Anschlussdrähten (z.B. axiale Folienkondensatoren) ist manchmal recht friemelig, und die LED-Beinchen neigen nach vielen hundert Steckvorgängen zum Abbrechen, aber das sind in meinen Augen keine wirklichen Nachteile, wenn man die Vorteile bedenkt.
Zum Aufbau der Versuche:
Je nach Fingerfertigkeit geht der Aufbau recht fix vonstatten. Gerade bei den komplexeren Versuchen ist der Überblick bei den vielen Drahtbrücken nicht so gut, aber das macht ja nichts: Man hat ja ein sauberes gedrucktes Schaltbild (und das Aufbaubild), das man zum Hineindenken benutzt. Alle Bauteile sind in den Plänen indiziert, so dass man einzelne Teile schnell auf dem Steckbrett wiederfinden kann (wenn man z.B. mit verschiedenen Widerstandswerten experimentieren möchte).
Nun zum Problematischen -- der Beschaffung:
Scheinbar hat sich die Nachfrage des Marktes nach anspruchsvolleren Experimentierkästen drastisch verringert. Denn Kosmos hat sein Angebot eingeschränkt:
Die Aufbaukästen kann man nur noch direkt beim Verlag bestellen (eventuell über den lokalen Händler); sie werden vermutlich nicht mehr neu hergestellt. Den Hightech-Zusatz scheint es gar nicht mehr zu geben, genauso wie das Netzgerät (9V, 200mA, stabilisiert, dauerkurzschlussfest) und das Netzrelais ("Netzschaltgerät X", 1000W).
Parallel zur XN-Serie sind momentan die Kästen "Electronic basic" und "Electronic profi" im Handel (siehe auch Kosmos-Homepage). Der Basic-Kasten ist ein XN 1000 mit einem bunteren Handbuch, aber leider ohne den XN 2000-Teil (es werden ja anscheinend eh keine Aufbaukästen mehr hergestellt). Der Profi-Kasten ist ein XN 3000.
Soweit ich weiß, ist das Pult nun blau und nicht mehr grau, und die Verkaufskartons sind größer (die alten Kartons waren sehr kompakt; neben dem Kunststoffpult waren die Pappboxen mit dem Bauteilen angeordnet, darüber lag das Handbuch, und das war's), haben aber dennoch den gleichen Inhalt.
Weitere Unterschiede scheint es meines Wissens nicht zu geben.
Ob dem Profi-Kasten das komplette Handbuch des XN 2000 beiliegt, weiß ich leider nicht; wünschenswert fände ich es aber auf jeden Fall.
Dass man den Basic-Kasten anscheinend nicht mehr zum Profi-Kasten aufrüsten kann, finde ich sehr schade. Aber Kosmos hätte sich sicher nicht zu diesem Schritt entschieden, wenn sich die alten Kästen nicht schlecht verkaufen würden. Heutzutage muss wohl halt alles bunt und -- ganz wichtig -- billig sein, damit es sich verkauft...
Fazit:
Alles in allem sind meiner Ansicht nach die XN-Kästen sehr gute Experimentierkästen. Gerade der XN 3000 ist auch gut für interessierte Erwachsene geeignet.
Als nützliches Zubehör empfiehlt sich ein Digitalmultimeter. Ein Oszilloskop wäre natürlich schöner, aber auch sperriger und teurer. Und wer ein Oszi sein Eigen nennt, besitzt in der Regel auch ein gutes Multimeter, aber nicht unbeding anders herum
Wenn ich einem technisch Interessierten Jugendlichen einen Kosmos-Kasten schenken wollte, würde ich prüfen, ob ich noch einen XN 2500 auftreiben kann (der XN 2000 ist ja noch im Handel). Dann gäb's den 2000er zu Weihnachten und den 2500er zum Geburtstag. Hat den Vorteil, dass der Beschenkte zum einen sämtliche Bauteile und zum anderen beide Handbücher hätte (wie ich auch).
Sollte der XN 2500 nicht mehr aufzutreiben sein, würde ich von Kosmos wahrscheinlich ein Handbuch für den XN 2000 als Ersatzteil Ordern und gleich einen XN 3000 schenken (kosten neu in der Bucht um 100 Euro). Der "große" ist halt wirklich "zukunftssicher", da selbst erweiterbar.
Folglich gäbe es zum Geburtstag dann das DVM und gebundene nachgedruckte alte Handbücher
Nächstes Wochenende kann ich mal ein paar Bilder von meinem Kasten machen. Ich könnte auch mal bei Kosmos nachfragen, ob sie damit einverstanden wären, wenn ich je eine Doppelseite aus den beiden Handbüchern als Leseprobe hier veröffentlichen würde.
Gruß, Bartho
P.S.: Hui, langer Text...