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BID = 901645
fitting Gerade angekommen
Beiträge: 8 Wohnort: Wien
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Da ich in letzter Zeit vermehrt davon gehört habe, hat dieses Thema meine Neugier geweckt.
Soweit ich es verstanden habe ist damit vor allem der Schwankungsausgleich bei erneuerbaren Energien gemeint, richtig?
Aber wie genau geht das von statten? Eine kurze Websuche hat mir hierzu das Thema "pumped hydropower schemes" immer wieder mal rausgeworfen.
Kann damit hier jemand was anfangen und mir ein wenig auf die Sprünge helfen?
Wäre sehr dankbar, wenn ihr meine Unwissenheit kurieren könntet |
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BID = 901647
wulf Schreibmaschine
Beiträge: 2246 Wohnort: Bozen
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Also fangen wir mal von ganz vorne an:
Energy Storage bedeutet erstmal nur "Energiespeicherung", sonst nichts.
Im Bezug auf erneuerbare Energien läuft es darauf hinaus, dass die benötigte Leistung nicht immer verfügbar ist. Der Wind bläst nicht konstant und die Sonne scheint auch nicht immer. Aus diesem Grund wir es Zeiten geben an dem nicht genug Leistung im Netz zur Verfügung steht. Allerdings gibt es auch Zeiten an denen mehr Energie ins Netz drängt als Verbraucht wird.
Das Netz speichert aber nichts. Es gilt immer der Grundsatz, dass gleich viel Energie rein wie raus muss (abzüglich von Verlusten im Netz). Die überschüssige Energie muss also irgendwohin oder bei mangelnder Energie muss noch irgendwoher Energie kommen.
Stell dir das wie einen Akku vor. Ist zu viel Energie da wird der Akku geladen und nimmt Energie auf. Fehlt Energie dann kommt der Differenzbetrag aus dem Akku und dieser wird entladen.
Das Problem ist aber jetzt folgendes: Es gibt keine sehr effizienten Technologien um sehr große Energiemengen zu speichern. Die wohl bekannteste Methode nennt sich "Pumpspeicherkraftwerk".
Grüße
Simon
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Simon
IW3BWH |
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BID = 901671
perl Ehrenmitglied
Beiträge: 11110,1 Wohnort: Rheinbach
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Zitat :
| Die wohl bekannteste Methode nennt sich "Pumpspeicherkraftwerk". |
Davon gibt es auch ein Österreich einige: http://de.wikipedia.org/wiki/Katego.....reich
Mittlerweile befinden sich auch unterirdische Druckgasspeicher in der Erprobung: http://de.wikipedia.org/wiki/Druckluftspeicherkraftwerk
Die Druckluftspeicherung hat aber von vornherein einen schlechteren Wirkungsgrad. Wenn du einmal einen Fahrradreifen kräftig aufgepumpt hast, wirst du gespürt haben, daß die Luftpumpe dabei heiß wird.
Dieser Effekt, durch den ein Teil der zugeführten Energie in Wärme verwandelt wird, ist beim Komprimieren von Gasen grundsätzlich vorhanden.
Meist kann man mit dieser Niedertemperaturwärme aber nichts sinnvolles anfangen, und daher muß man sie an die Umgebung abgeben.
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BID = 901864
Dark Dragon Schreibmaschine
Beiträge: 1363 Wohnort: Solingen
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Naja ... Die abgegebene Energie in Form von Wärme bei der Kompression von Gasen an die Umwelt wird ja bei Expansion wieder aufgenommen.
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BID = 901865
perl Ehrenmitglied
Beiträge: 11110,1 Wohnort: Rheinbach
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Zitat :
| Die abgegebene Energie in Form von Wärme bei der Kompression von Gasen an die Umwelt wird ja bei Expansion wieder aufgenommen. |
Das möchtest du vielleicht, aber es findet wegen der erforderlichen Temperaturdifferenzen nur in sehr bescheidenem Maße statt.
Mangels geeigneter Wärmespeicher ist man von dQ=0 meilenweit entfernt.
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BID = 902422
fitting Gerade angekommen
Beiträge: 8 Wohnort: Wien
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Danke für eure Antworten! Dass man je nach Verbrauch und Vorkommen einen Augleich schaffen muss, leuchtet ein.
Wenn ich das Prinzip bei den Pumpspeicherkraftwerken richtig verstehe, dann wird der überschüssige Strom verwendet um das Wasser in das höher gelegene Becken zu pumpem um bei Bedarf wieder in das untere Becken abgelassen zu werden und damit erneut Strom zu erzeugen, richtig?
Aber geht dabei nicht eigentlich viel Energie verloren? Das pumpen verbraucht doch deutlich mehr an Energie..?
Ich habe hierzu jetzt auch noch ein Presseblatt von ABB Österreich gefunden, die wohl erst kürzlich beim Kraftwerk Grimsel (welches in der Wikipedia-Liste überhaupt nicht aufscheint) einen Frequenzumrichter eingebaut haben, der dem ganzen Abhilfe schaffen soll. Kann mir das noch jemand näher erläutern?
Ich hoffe ich gehe euch hier mit meiner Fragerei nicht auf die Nerven, aber ihr scheint euch ja bestens auszukennen
Hier ein Link zu dem genannten Presseblatt, damit ihr ne Ahnung habt was ich meine: http://www02.abb.com/global/chabb/chabb122.nsf/0/23609e9d30224eb6c1257bf60051608b/$file/Dok_Pressrelease_Grimsel2_Weltrekord_130930_ny.pdf
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BID = 902424
Rafikus Inventar
Beiträge: 4150
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Wenn man der Werbung glaubt, so hat sowohl RWE als auch ein Anbieter von Ausrüstungen für Eigenheime das Problem mit der Speicherung gelöst.
RWE ist aktuell in der Fernsehwerbung mit ihren blumigen Beschreibungen.
Der andere war vor einiger Zeit in der Fernsehwerbung mit seinem Speicher für Photovoltaikanlagen. Da sollte eine Zauberkiste von ungefähr 60x60x50cm den Speicher für ein Eigenheim besorgen.
Rafikus
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BID = 902427
perl Ehrenmitglied
Beiträge: 11110,1 Wohnort: Rheinbach
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Zitat :
| dann wird der überschüssige Strom verwendet um das Wasser in das höher gelegene Becken zu pumpem um bei Bedarf wieder in das untere Becken abgelassen zu werden und damit erneut Strom zu erzeugen, richtig? |
Ja, das ist richtig.
Wenn es (während der meisten Zeit) nichts zu pumpen oder zu erzeugen gibt, lässt man die Generatoren oftmals trotzdem im Leerlauf mitdrehen um Blindstrom aus dem Netz zu nehmen.
Zitat :
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Aber geht dabei nicht eigentlich viel Energie verloren? Das pumpen verbraucht doch deutlich mehr an Energie..? |
Das ist nun einmal bei jedem technischen Prozess so, daß der Wirkungsgrad geringer als 1 ist.
Man versucht natürlich diese Verluste so gering wie möglich zu machen, und deshalb pumpt man das Wasser auch nicht sofort wieder zurück, sondern man wartet damit möglichst, bis die anderen Kraftwerke einen Überschuß produzieren, denn natürlich gibt es auch bei denen optimale Betriebsbedingungen.
Man muß bei diesen Überlegungen also immer das gesamte System aus verschiedene Kraftwerken, Leitungen und Verbrauchern im Auge haben, dann lohnt sich auch die oben angesprochene Blindstromkompensation, die lokal gesehen ein reines Verlustgeschäft wäre.
Zitat :
| einen Frequenzumrichter eingebaut haben, der dem ganzen Abhilfe schaffen soll. Kann mir das noch jemand näher erläutern |
Der Wechselstrom des europäischen Verbundnetz hat ja eine Frequenz von recht genau 50 Hz. Das sind 3000 Schwingungen pro Minute. Je nach Polzahl bzw. Bauart muß der Generator deshalb mit einer festen Drehzahl von 3000, 1500 oder 725 min -1 laufen und so wird er vom Hersteller auch ausgelegt.
Wenn man versucht einen Synchrongenerator mit der falschen Drehzahl ans Netz zu schalten, gibt das im Extremfall ein böses Feuerwerk: https://forum.electronicwerkstatt.d.....r.pdf
Es leuchtet natürlich ein, daß bei dieser festen Drehzahlvorgabe die Anlage im Teillastbetrieb nicht ihren optimalen Wirkungsgrad erreicht.
Hier kommt nun der FU ins Spiel, der es ermöglicht auch große Frequenzdifferenzen anzugleichen, damit Turbine und Generator bei jedem Lastzustand ihren maximalen Wirkungsgrad erreichen.
Im Prinzip braucht man dafür "nur" den vom Generator mit z.B. 40 Hz gelieferten Wechselstrom gleichzurichten und daraus dann mit einer gewaltigen NF-Endstufe genau 50Hz zu erzeugen, die man dann ins Verbundnetz einspeisen kann.
Bei den gewaltigen Leistungen ist das keine ganz einfache Aufgabe. Erwarte also bitte nicht, daß wir dafür mal eben einen Schaltplan posten, am besten noch einen mit billigen Transistoren.
[ Diese Nachricht wurde geändert von: perl am 14 Okt 2013 3:43 ]
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BID = 902428
nabruxas Monitorspezialist
Beiträge: 9269 Wohnort: Alpenrepublik
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Frag den Lesch.
http://www.
zdf.de/ZDFmediathek/#/beitrag/video/1992076/Das-Verhängnis-mit-dem-Energiespeicher
_________________
0815 - Mit der Lizenz zum Löten!
[ Diese Nachricht wurde geändert von: nabruxas am 14 Okt 2013 6:09 ]
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BID = 903058
fitting Gerade angekommen
Beiträge: 8 Wohnort: Wien
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Wow vielen vielen Dank perl! Hätten mir meine Professoren in der Schule die Dinge so gut verständlich wie du erklärt, hätte ich mir sicher leichter getan Vielleicht solltest du das als Berufsweg in Betracht ziehen?
Wirklich vielen Dank für die ausführliche Antwort. Dabei bleibt mit jetzt eigentlich keine Frage mehr offen. Achja und danke für das pdf.. eindrucksvolle Bilder holla.. dass da so eine Kraft dahinter steckt sieht man ja auf den ersten Blick meist nicht und vergisst man daher gerne mal schnell.
Danke auch für den Link zur Mediathek! Leider habe ich noch nicht die Zeit gefunden mir das Video anzusehen. Morgen starte ich aber dann endlich in mein verdientes (und viel zu kurzes) Wochenende und werde mir das Video ansehen! Also danke im Voraus hierfür!
Beim googeln nach dem Grimsel-Projekt habe ich dann noch diese Infografik gefunden, die mir meine anfänglichen Fragen erspart hätte: http://www02.abb.com/global/chabb/chabb122.nsf/0/3d2eb819bf7acfdcc1257bf60050c291/$file/Lay_Grimsel-D_130930_ah.pdf
und auch noch dieses video:
http://www.youtube.com/watch?v=uS20VRY_xW0
Sowas findet man natürlich immer erst, nachdem man schon andere mit seiner Frage belästigt hat haha. Aber ich war hier ja gut bei euch aufgehoben
Also danke nochmals!
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BID = 903085
perl Ehrenmitglied
Beiträge: 11110,1 Wohnort: Rheinbach
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Zitat :
| Vielleicht solltest du das als Berufsweg in Betracht ziehen? |
Zu spät!
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BID = 903194
Tom-Driver Inventar
Beiträge: 8792 Wohnort: Berlin-Spandau
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Zu spät? Wieso?
Ehrenprofessuren gehen doch immer auch noch nach der Emeritierung...
Gruß,
TOM.
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[x] <= Hier Nagel einschlagen für neuen Monitor!
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BID = 903683
E-Tron Gerade angekommen
Beiträge: 14
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Hab da ein wenig mitgelesen und möchte mich mal für die Infos bedanken aber ich frage mich, ob ein Frequenzumrichter denn etwas so komplexes ist?
Beziehungsweise warum ist es so schwierig die Frequenz anzupassen?
Ok, noch eine Frage ist mir eingefallen, sorry for bombardment
Wenn es bislang so war, dass man die Maschinen unbedingt auf eine Frequenz von 50Hz laufen lassen muss, dann wurden bislang die Turbinen, etc. auch nur in diese Richtung weiterentwickelt. Heißt das, dass man nun die Turbinen und den Rest auch auf andere Frequenzen weiterentwickeln kann, um den Wirkungsgrad zu maximieren und letztendlich "nur" noch den Frequenzumrichter einbauen muss oder ist ein Frequenzumrichter immer nur auf bestimmte zwei Frequenzen ausgelegt?
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Technik und Heimwerken sind genau mein Ding.
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BID = 903685
wulf Schreibmaschine
Beiträge: 2246 Wohnort: Bozen
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Die Funktionsweise eines FUs kannst du hier nachlesen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Frequenzumrichter
Zu deiner zweiten Frage:
Motoren und Generatoren (nicht Turbinen) werden natürlich für 50Hz optimiert wenn sie nur mit dieser fixen Frequenz laufen sollen. Es gibt aber durchaus auch andere Einsatzmöglichkeiten. Der Vorteil dieser "kleinen" Frequenz ist, dass man noch Eisen verwenden kann ohne, dass die Wirbelstromverluste all zu hoch werden. Bei höheren Frequenzen muss man dann Ferrit- oder Eisenpulverkerne verwenden. Das sieht man u.a. bei den Schaltnetzteilen. Der Kern des Tranfsormators ist da zwar schön klein (dank der höheren Frequenz) aber eben nicht aus gestapelten Eisenblechen sondern aus Ferrit.
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Simon
IW3BWH
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BID = 903687
perl Ehrenmitglied
Beiträge: 11110,1 Wohnort: Rheinbach
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Zitat :
| Der Vorteil dieser "kleinen" Frequenz ist, dass man noch Eisen verwenden kann ohne, dass die Wirbelstromverluste all zu hoch werden |
Daß man für die Transformatoren dann das relativ billige Eisen mit seine trotzdem hervorragenden magnetischen Eigenschaften verwenden kann, ist nur ein Effekt.
Wichtiger aber noch sind die Übertragungsverluste auf den langen Leitungen.
Wegen des bei höheren Frequenzen auftretenden Skineffekts und der vermehrten Energieabgabe durch kapazitive Kopplung an verlustreiche Materialien in der Umgebung der Freileitungen, wie z.B. Gras, feuchtes Erdreich und Blätterwerk steigen diese Verluste mit der Frequenz.
Auch der kapazitive Blindstrom steigt mit der Frequenz, wenngleich dieser manchmal durchaus erwünscht ist.
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