DC-Antrieb restaurieren und betreiben?

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Autor
DC-Antrieb restaurieren und betreiben?

    







BID = 1012834

Trumbaschl

Inventar



Beiträge: 7585
Wohnort: Wien
 

  


Über einen Bekannten bin ich in ein etwas verrückteres Projekt gestolpert. Die Aufgabe ist, einen Aufzug von ca. 1900-1910 zu restaurieren und unter "Laborbedingungen" ohne Fahrgäste in Betrieb zu nehmen.

Offenbar wurde die Anlage rund um den 2. Weltkrieg stillgelegt und nie wieder in Betrieb genommen, jedenfalls ist die gesamte Technik unverändert im Zustand der letzten Modernisierung in den 20ern (bestehend hauptsächlich aus einer neuen Sicherungstafel mit Diazeds statt Siemens-Keramiksicherungen). Gleichstrommotor 440 V mit Widerstandsanlasser, Kabinenlicht usw. 220 V DC. Die Anlage ist handgesteuert, der Portier/Aufzugswärter zieht im EG an einem Steuerseil, mit dem er das gewünschte Stockwerk wählt, bei Erreichen schaltet die Steuerung selbsttätig ab. Der Pluspunkt daran: so kann man die Anlage problemlos ohne Fahrgäste betreiben, mit würde so ziemlich gegen sämtliche erdenklichen Sicherheitsvorschriften verstoßen.

Die Verkabelung sieht noch erstaunlich gut aus, wir würden natürlich alles durchmessen (zwei Elektrotechniker und eine Aufzugsfirma sind beteiligt). Am Anfang stünde eine Grundreinigung an, der Maschinenraum hat ein zerbrochenes Fenster, dementsprechend ist alles voller Guano, einschließlich Kollektor, Anlasser usw. Die Schmierstoffe sind sicher auch nicht mehr die besten. Mit der Handkurbel ist der Antrieb leichtgängig, aber quietscht hörbar.

Zwei Kernfragen:
1) Könntet ihr uns bei notwendigen Restaurierungsarbeiten am Motor unterstützen (vorausgesetzt die Motorwicklungen bestehen die Isomessung? Das wäre ein Traum!

2) Woher bekommen wir die notwendigen 220/440 V DC mit geerdetem Mittelleiter? Das Typenschild des Motors ist leider nicht sehr ergiebig, im Feld für den Nennstrom scheint nichts eingeschlagen zu sein, bezüglich Leistung bin ich mir nicht sicher - es gibt ein Feld "HP", das könnten "Horsepowers" sein, ist mit 4 angegeben. Bei unserer letzten solchen Museums-Anlage gab es diese Angabe auch, bei dem Motor waren es 6. Die Motor-Absicherung ist 20 A zweipolig, dazu gibt es 6 A für das Kabinenlicht und 6 A für unbekannte Hilfszwecke (wahrscheinlich Maschinenraumlicht usw.). Das ist vernachlässigbares Kleinzeug, Glühlampen im zweistelligen Wattbereich. Mit 20 A/440 V komme ich auf eine theoretisch mögliche Leistung von 8800 W, das wären deutlich mehr als die angenommenen 4 PS.

Ach ja, eine Alternative für die Lichtsicherungen bräuchten wir auch noch - die vorhandenen haben zertrümmerte Schraubkappen oder sind geflickt oder beides. Leider sind das keine Diazeds sondern wenn ich das richtig erkenne G-Sicherungen (Gerätesicherungen, auch so ein Siemens-Patent und in den 20ern anscheinend recht populär).

Das Sammelsurium von 14 durchgebrannten Motorsicherungen auf dem Boden des Maschinenraums stimmt mich übrigens nicht übertrieben positiv.

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BID = 1012837

der mit den kurzen Armen

Urgestein



Beiträge: 17434

 

  


Zitat :
2) Woher bekommen wir die notwendigen 220/440 V DC mit geerdetem Mittelleiter?

Och nee aus einer gewöhnlichen 2 Weg Gleichrichtung. Ich denke mal da waren Quecksilbergleichrichter verbaut. Zu dieser Zeit gab es aber auch schon Selengleichrichter Von diesen Teilen stammt auch der Ausdruck Gleich riecht er !
Beim Motor könnte Verlöterlein helfen notfalls auch neu wickeln.

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Arbeiten an Verteilern gehören in fachkundige Hände!
Sei Dir immer bewusst, dass von Deiner Arbeit das Leben und die Gesundheit anderer abhängen!

[ Diese Nachricht wurde geändert von: der mit den kurzen Armen am  4 Feb 2017 21:23 ]

BID = 1012842

Verlöter

Schreibmaschine



Beiträge: 1658
Wohnort: Frankfurt am Main

Stimmt, Gleichstrommotoren wickeln ich. Zeig doch mal Bilder davon.

BID = 1012845

der mit den kurzen Armen

Urgestein



Beiträge: 17434

Noch etwas der Wirkungsgrad derartiger Motoren wird selten über 0,6 eher noch darunter liegen. Mal kurz überschlagen 220V *20A = 4400 VA und 4 PS sind rund 3 kW passt in etwa
Edit: die alte Lichtverteilung bleibt als Anschauungsmuster erhalten und wird durch einen modernen Aufputzverteiler ersetzt. So wäre es sogar Möglich diese Verteilung im geöffneten und geschlossenem Zustand durch Teilung des Deckels zu zeigen.

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[ Diese Nachricht wurde geändert von: der mit den kurzen Armen am  4 Feb 2017 23:02 ]

BID = 1012852

Trumbaschl

Inventar



Beiträge: 7585
Wohnort: Wien

Danke für euren Input!

Unser Traum wäre, den Antrieb noch an Ort und Stelle für Filmaufnahmen ein letztes Mal funktionsfähig zu machen, d.h. Motor neu wickeln wird schwierig. Da aber der Gesamtzustand sehr schön ist, trotz der zerbrochenen Fenster trocken und kaum Korrosionsspuren, hoffe ich eigentlich auf intakte Motorwicklungen.

Der Maschinenraum sitzt im 5. OG, also den Motor mal eben ausbauen, neu wickeln lassen und wieder einbauen wäre etwas schwierig.

Bei 220 V und 4400 W (VA ist bei Gleichspannung eine eher sinnlose Angabe) wäre ich noch geneigt zuzustimmen, aber wir reden ja von 440 V und 20 A! Da wäre der Wirkungsgrad schon unter aller Kanone! Ich gehe eher davon aus, dass die Absicherung großzügig gewählt war - andererseits, wenn ihnen reihenweise Motorsicherungen geflogen sind war entweder ein Defekt vorhanden oder die Absicherung doch nicht so großzügig.

Für den Museumsbetrieb bietet es sich an, die Verteilung zu ersetzen, aber für den Letzeinsatz an Ort und Stelle wäre es schön, das Original wieder in Betrieb zu nehmen. Notfalls müsste ich mir aus GB Schmelzdraht 6 A besorgen und die Sicherungen nochmals flicken, diesmal aber mit der korrekten Stromstärke

Ad Gleichrichtung: ursprünglich wurde das gute Stück aus dem öffentlichen Gleichstrom-Lichtnetz der städtischen Elektrizitätswerke versorgt. Da dieses nicht mehr verfügbar ist, interessiert uns eine vom historischen Teil klar abgegrenzte, halbwegs kostengünstige Versorgung mit leicht zu beschaffenden Bauteilen. Intuitiv dachte ich da an Stell-Trenntrafo und Si-Brückengleichrichter, aber so richtig firm bin ich auf dem Gebiet nicht, daher meine Bitte um Hilfestellung.

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BID = 1012853

der mit den kurzen Armen

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Beiträge: 17434

https://forum.electronicwerkstatt.d.....t=jpg
Notfalls eben 2 Trafos verwenden.
Edit: und in der Not frisst der Teufel auch Fliegen. Wenn da eben keine Versorgung aus dem Netz möglich ist, musst du fliegen fressen Du brauchst da nur 36 12V Akkus Das sind dann deine Fliegen

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[ Diese Nachricht wurde geändert von: der mit den kurzen Armen am  4 Feb 2017 23:49 ]

BID = 1012855

Kleinspannung

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Beiträge: 13364
Wohnort: Tal der Ahnungslosen


Offtopic :

Gibbet das auch mal Foddos?
Bist doch sonst nicht so sparsam...


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Manche Männer bemühen sich lebenslang, das Wesen einer Frau zu verstehen. Andere befassen sich mit weniger schwierigen Dingen z.B. der Relativitätstheorie.
(Albert Einstein)

BID = 1012857

Trumbaschl

Inventar



Beiträge: 7585
Wohnort: Wien

Ach ja, ein paar Bilder habe ich auch noch! Bei denen hätte ich definitiv blitzen sollen, aber heute war nur Erstbesichtigung, kann ich also noch nachholen.

Die Sicherungstafel dürfte aus den 20ern stammen. In der Mitte die beiden DII 20 A für den Motorstromkreis (+ und -), links und rechts zwei G-Sockel mit Schnelzeinsätzen 6 A, ich nehme an Kabinenlicht (Mittelleiter abgesichert, warum auch immer), unten DII 6 A, vermutlich Maschinenraumlicht und die sichtbare Servicesteckdose. Warum um alles in der Welt sie für das Licht G-Sockel statt D genommen haben wissen die Götter... ich hatte aber auch schon einen Dienerruf von 1929, bei dem der Klingeltrafo eigens noch einmal G-Sicherungen hatte. Nachdem in Österreich noch bis in die 80er in TT-Netzen der N so sehr als aktiver Leiter galt, dass er separat abgesichert werden durfte, gehe ich hier vom gleichen Phänomen aus - der Mittelleiter wurde einfach auch gesichert.

Das Sammelsurium auf dem Boden umfasste wie erwähnt 14 DII 20 A, daneben einige DII 6 A und - ganz kurios - eine DII 15 A.







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BID = 1012858

Trumbaschl

Inventar



Beiträge: 7585
Wohnort: Wien

Und noch zwei Bilder:
Das erste zeigt den Kollektor im Ausgangszustand, allerdings fehlt nach mehrmaligem händischem Drehen schon ein Teil der Dreckschicht (helle Flecken). Das zweite Bild ist die bislang unten stehende und daher nicht von Staub, Guano usw. bedeckte Seite.





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BID = 1012859

der mit den kurzen Armen

Urgestein



Beiträge: 17434

An eine Versorgung des Motors mit 440V glaube ich trotzdem nicht. Die werden die beiden Spannungen von 220V als Umpolung genutzt haben. Ich könnte wetten das der altmodische Schütz 2 mal vorhanden ist und der Anlasser in der geerdeten Leitung liegt.

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BID = 1012862

perl

Ehrenmitglied



Beiträge: 11110,1
Wohnort: Rheinbach


Zitat :
Woher bekommen wir die notwendigen 220/440 V DC mit geerdetem Mittelleiter?
Ist es sicher, dass das ein Gleichstrommotor ist?
Dann brauchst du Sicherungen mit einem deutlich höheren Abschaltvermögen als es bei Wechselstromkresien erforderlich ist.
Oder du sicherst vor dem Gleichrichter ab.

Als Gleichrichter könnte eine Thyristorschaltung dienen.
Eine Glättungsdrossel ist vermutlich wegen der Induktivität der Motorwicklungen nicht erforderlich.
Das entspricht dann zwar nicht aktuellen EMV-Vorschriften, aber am gelegentlichenn Betrieb wird das europäische Verbundnetz schon nicht zugrunde gehen.
Ausserdem wird der Motor auch nicht seinen vollen Nennstrom benötigen, wenn keine Fahrgäste im Korb sind.


P.S.:

Zitat :
Die werden die beiden Spannungen von 220V als Umpolung genutzt haben
Jaaa, wenn der Motor mit einem Permanentmagneten ausgerüstet wäre.
Iss er aber nicht.


[ Diese Nachricht wurde geändert von: perl am  5 Feb 2017  0:35 ]

BID = 1012867

Otiffany

Urgestein



Beiträge: 13763
Wohnort: 37081 Göttingen

Ich kann mich noch gut erinnern, daß mein Kinderwunsch, eine elektrische Eisenbahn zu Weihnachten geschenkt zu bekommen deshalb nicht in Erfüllung gehen konnte, weil es noch kein Wechselspannungsnetz gab!
Vielerorts gab es tatsächlich noch Gleichspannung. Vielleicht war das am Standort des Aufzuges auch nicht anders.

Gruß
Peter

BID = 1012868

Trumbaschl

Inventar



Beiträge: 7585
Wohnort: Wien

Auf dem Motor-Typenschild steht definitiv nur 440 V. Über die Stromart habe ich nichts gefunden, aber der zuletzt (vor einer Woche) geborgene solche 440-V-Motor war definitiv mit "Gleichstrom-Motor" beschriftet.

Der Schütz ist definitiv nur einmal vorhanden und laut unserem Aufzugs-Experten vermutlich irgendeine Sicherheitsschaltung. Möglicherweise bekommen wir von Freissler bzw. heute Otis noch Pläne, wobei ich mir nicht zu viel Hoffnung mache, da die Originalpläne sich angeblich auf ein einzelnes A3-Blatt beschränkten und die Anlage außerdem ja umgebaut wurde.

Die Sicherungen sind Originalbestand, die für die Motoren würde ich auch 1:1 so belassen (maximal gegen aktuelle Schmelzeinsätze tauschen wenn die auch geflickt sind). Oder spricht da grob was dagegen?

Thyristorschaltung klingt spannend! Leistungselektronik ist leider so gar nicht mein Spezialgebiet, ich bin hauptsächlich bei den simplen Installationsschaltungen zu Hause.

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BID = 1012869

der mit den kurzen Armen

Urgestein



Beiträge: 17434

Das ist aber mit Sicherheit eine Nebenschlussmaschine. Je nachdem wie rum die Feldwicklung vom Strom durchflossen wird ändert sich dann auch die Drehrichtung.
So könnte die Schaltung vom Prinzip aufgebaut sein.





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BID = 1012883

winnman

Schreibmaschine



Beiträge: 1640
Wohnort: Salzburg

Relais und Schütz waren da ziemlich sicher nicht in Verwendung.

Ich vermute das das was man auf Bild 2 sieht für die Ansteuerung des Motors verantwortlich ist.

Vermutlich wird ein Teil davon über Getriebe vom Antrieb bewegt und das andere Teil über besagtes Seil vom Portier.

Wenn beide übereinstimmen steht der Motor.
Wird "nach oben" vom Portier vorgegeben, wird ein Teil verdreht.

Dadurch werden Kontakte geschlossen die das Feld in die richtige Feldrichtung schalten und der Ankerstromkreis geschlossen.
Erreicht der Fahrkorb die richtige Position wird mechanisch Feld und Anker wieder vom Netz getrennt.


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